Hat Wolfgang Ischinger indirekt an der Münchner Sicherheitskonferenz verdient?
Seit 14 Jahren leitet Wolfgang Ischinger, ein Ex-Diplomat, der mit Genehmigung der Bundesregierung seinen Botschafter-Titel weiter führen darf, die Münchner Sicherheitskonferenz. Seit Längerem war klar, dass die MSC, wie die Konferenz sich gerne nach ihrer englischen Bezeichnung abgekürzt, zum letzten Mal von ihrem langjährigen Präsidenten geleitet werden soll. Als Nachfolger des 75-jährigen Schwaben ist Christoph Heusgen vorgesehen, der frühere deutsche Vertreter bei den UN und außenpolitische Berater von Angela Merkel.
Nur ein "Ehrenamt"?
In dieser Woche sind Presseberichte erschienen, denen zufolge Ischinger, der stets behauptet hatte, seine Leitungsfunktion nur "ehrenamtlich" auszuüben und für seine Tätigkeit lediglich eine "Aufwandsentschädigung" zu erhalten, zumindest indirekt an der von ihm geleiteten Konferenz verdient haben könnte. Wie der Spiegel schreibt, liegen ihm vertrauliche Unterlagen vor, die zeigen, wie Ischinger über seine eigene Beratungsfirma an der Konferenz verdient habe.
Konkret geht es um das Unternehmen "Agora Strategic Group", dessen Mitgründer Ischinger 2015 gewesen ist. An der Firma soll er über einen Treuhänder heute 30 Prozent halten. Aus den Dokumenten soll hervorgehen, dass "Agora" der deutschen Rüstungsfirma Hensoldt angeboten habe, Entscheidungsträger "aus dem Teilnehmerkreis der MSC" für die "Durchführung eines Side Events" auszuwählen. Unter "Side Events" versteht man die Hinterzimmertreffen, die am Rande der Konferenz stattfinden.
Sollten die Berichte zutreffen, hätte Ischinger an der Vermittlung von Kontakten und Terminen verdient. Hinzu kommt, dass Ischinger als Präsident der MSC quasi über die Teilnahme der Gäste einzeln entscheiden konnte. Der Spiegel formuliert:
"Doch die Konferenz mag noch so staatstragend wirken, tatsächlich ist es eine private Veranstaltung. Jeder Teilnehmer war ein 'persönlicher Gast' von Ischinger, der Konferenzchef entschied, wer teilnehmen darf oder nicht."
Wichtig ist zudem, dass die Firma Hensoldt Verteidigungselektronik herstellt. Zu ihren Produkten zählen das Radar für Kampfjets und Überwachungskameras für Drohnen. In der Praxis soll "Agora" für erfolgreiche Lobbyarbeit Provisionen verlangt haben.
Nun ist die Beteiligung an "Agora" nicht Ischingers einzige Firmenbeteiligung. Laut Spiegel hält Ischinger auch Aktien an Hensoldt und soll dort zudem bis 2018 noch einen Aufsichtsratsposten bekleidet haben.
Undurchsichtige Strukturen
Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) spricht demnach auch von "verschachtelten Strukturen", die
"bewusst so konstruiert worden [seien], dass er von der Konferenz indirekt profitierte, ohne dass man ihm dies direkt nachweisen konnte."
Diese Beziehungen reichen über den Treuhänder Ischingers, Kurt Lauk, der laut RND viele Jahre Präsident des CDU-nahen "Wirtschaftsrates Deutschland" war, wieder in Wirtschafts- und politische Kreise. Der Spiegel wies auf den Umstand hin, dass Ischinger "sich öffentlich zu Themen äußert, die Interessen von Hensoldt berühren". So habe er in einem Tagesspiegel-Interview gefordert, dass Deutschland eine größere Anzahl von Drohnen für die Bundeswehr anschaffen solle. Ischinger habe jedoch verschwiegen, dass er im Aufsichtsrat eines Zulieferbetriebes für die Drohnenproduktion gesessen hat und noch Aktien dieses Unternehmens besitzt.
Ischinger für Waffenlieferungen an die Ukraine
Anfang des Monats hatte Ischinger auf der Klausur der CSU-Landesgruppe dafür plädiert, dass Deutschland der Ukraine Waffen liefern solle – und zwar mit dem Argument, einen neuen "deutschen Sonderweg" zu vermeiden: Deutschland solle nicht "am Ende des Konvois" stehen. Es käme auf "Geschlossenheit und Führungskraft der EU und der NATO" an.
"Waffenlieferungen in beschränktem Umfang" an die Ukraine begründete Ischinger auch mit der Entscheidung der Regierung Schröder/Fischer vor 20 Jahren, die als Konsequenz aus der deutschen Geschichte die "Notwendigkeit" gesehen habe, "genozidartige Missetaten in und um Europa zu verhindern". Die "Stärkung der Verteidigungskraft der Ukraine" könne "ein Element" sein, das die "Abschreckungswirkung aus Moskauer Sicht hoffentlich erhöhen würde".
Der Spiegel zitiert in seinem Bericht ausführlich aus den "Agora"-Papieren, die nahelegen, dass die Firma Hilfestellung beim Rüstungsexport in Krisengebiete anbieten soll. Damit könnten die formal strengen deutschen Rüstungsexportbeschränkungen unterlaufen werden. Ischinger, der laut Spiegel "auf Wunsch der damaligen Bundesregierung unter Kanzlerin Angela Merkel" zum Präsidenten der MSC berufen wurde, gründete 2008 die "Stiftung Münchner Sicherheitskonferenz gGmbH". Ischinger wurde
"alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer des gemeinnützigen Unternehmens. Die Bundesregierung förderte die Konferenz zwar weiterhin, hinzu kamen aber immer mehr Sponsoren aus der Wirtschaft, darunter Rüstungskonzerne wie der Panzerbauer Krauss-Maffei Wegmann. Das brachte der Konferenz den Vorwurf aus der Linken ein, sie sei eine Lobbyveranstaltung der Waffenindustrie."
Sollten sich die Spiegel-Recherchen bewahrheiten, wäre das Ausscheiden Ischingers aus seiner Funktion bei der MSC mit einem handfesten Skandal verbunden. Von der Legende des angeblich selbstlos ausgeübten Ehrenamts an der Spitze der MSC bliebe nicht mehr viel übrig. Einmal ganz abgesehen von der merkwürdigen Verquickung von offensichtlichen Rüstungsgeschäften und einer zweifelhaften, dem Kommerz nicht abträglichen Moral, die sich auf die deutsche Geschichte beruft – und sich ausgerechnet als Konsequenz aus der Shoah und deutscher Schuld begreift. Und dabei Konflikte und Kriege buchstäblich mit zu befeuern hilft.
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